Unser absurder Alltag, sorgsam notiert von Lo Blickensdorf
Mon Dieu, Herr Graf!
Er illustrierte und layoutete Münsters legendäres Stadtmagazin City in den 70ern und frühen 80ern, gestaltete Plattencover für krautige Münsterbands, hing ab mit Steffi Stephan, Roxie Heart und Götz Alsmann, gestaltete schräge Werbung für Jovel, Kling Klang, Kalkmarkt. Und erhob das Ringel-T-Shirt zum Fetisch.
Nach seinem Umzug nach Berlin wollte Lo nicht länger „arm, aber sexy” sein und wechselte mit einem dreisten Trick in die mondäne Welt der Lebemänner, Flaneure und Vernissagensnobs. Er adelte sich von eigenen Gnaden zum Grafen Lo von Blickensdorf, druckte für sein letztes Kleingeld hochwohlgeborene Visitenkarten - und kam tatsächlich damit durch. Und schrieb das erfolgreiche, süffisant satirische Buch Werden Sie doch einfach Graf! über seine Erlebnisse in der dubiosen Halbwelt tortenfressender Blaublütler und neureicher Schwadroneure. Schnorren mit Niveau...
Weniger fake, mehr hintersinnig und wortwitzig sind Los
Cartoons. Schon zu City-Zeiten krakelte er das halbe
Heft voll mit Mini-Cartoons und fiesem Blödsinn. Überall da, wo
Platz war, neben Textspalten, in Layout-Lücken und dann seiner
eigenen Satire-Kolumne Ulk. Heute füllt Lo das halbe
Internet ab mit hunderten seiner kleinen lakonischen Cartoons,
inspiriert von den Absurditäten und Peinlichkeiten unseres
Alltags. Die besten Gags hat er jetzt in dem Büchlein
Cartoons... zum Wegschmeißen!
(Eulenspiegel Verlag 2023, 80 Seiten, 12 Euro)
versammelt. Man kann ja auch nach Weihnachten Bücher
verschenken...
-rl
So ein Schietwetter...
Da es draussen seit Tagen, ach was: Wochen vor sich hin
pieselt, nieselt und nebelt, hier mal ein sonniges Foto von den
Aaseewiesen, Frühling 1974.
Und genau: Die Mädels und Jungs chillen genau da, wo ab 1977
die Aaseekugeln der ersten Skulptur-Ausstellung ihr Plätzchen
fanden. Alle Versuche, u.a. nach einer der legendären
Mensa-Parties, sie in den Aasee zu rollen, scheiterten
bekanntlich...
Das Foto gehört zur Ausstellung Münster vor 50
Jahren im Stadtmuseum.
Ach übrigens: Unter Münster-Zeitreise finden sich hier
noch jede Menge Stories & Fotos aus Münsters Szene der 70er
und 80er.
Von keusch bis fast pornografisch: Die imposante Großausstellung im Museum am Domplatz ist bereits die dritte Kooperation mit der Tate-Gallery London und bietet eine vielschichtige und vielfältige Auswahl an Exponaten aus dem späten 19. bis zum 21. Jahrhundert. Die Bildergalerie zeigt die offiziellen Presse-Motive zu Nudes, unsere ausführliche Besprechung der Ausstellung findet ihr in Ultimo 25/2023.
Der Münsteraner Markus Gebauer fotografiert vom Tschernobyl-Rummelplatz bis zur verfluchten Villa in Portugal verwunschene Orte. Drei vollfarbige Fotobände Timeless sind bereits von Markus Gebauer erschienen, der auch als DJ MGness (Favela, Fusion, Docklands Festival, Monopark undundund) wohlbekannt ist.
Immer bis an die Schmerzgrenze: Der Zeichner, Karikaturist und
Illustrator Frank Hoppmann aus Münster ist geliebt und
gefürchtet zugleich für seine boshaften, grotesk deformierten
und doch das Innerste enthüllenden Portraits. Popstars,
Politiker, Sportler, Philosophen, Insekten und selbst den Tod
strichelt er morbide, verstörend, schwarzhumorig für
Rolling Stone, Welt oder
Eulenspiegel. Ein bigotter, schmierig-eitler Honk:
Sein Donald-Trump-Portrait für die L.A. Times machte
ihn international berühmt. Und wir wundern uns auch nicht, dass
Hoppmann für seine Diplomarbeit 2002 das Thema
Spirituosenliebhaberei hat viele Gesichter wählte -
eine satirische Portraitserie über Volltrunkene.
Nun hat Frank Hoppmann seine besten Cartoons und Zeichnungen im
fetten, großformatigen Prachtband Hoppmann (Göttinger
Verlag der Kunst, 272 Seiten, 52 Euro) versammelt.
Grandios!
-rl
Und
über Ultimos Atelierbesuch beim Meister erfahrt ihr alles
hier...
Neben den klassischen Themenpodcasts gibt es mittlerweile unzählige politische Podcasts, Sportcasts und sogar Porncasts... Wer hat eigentlich die Zeit, sich das alles anzuhören? Natürlich mischen auch Hosts aus Münster kräftig mit. Wir stellen mal ein paar vor!
Das Haus Frauenstraße 24 hat eine besondere Geschichte. Erbaut wurde es 1905, und 1943 blieb es wie durch ein Wunder von den Bomben verschont. Doch seine spezielle Story begann 1973 - vor 50 Jahren. Damals wurde das Haus mit der schönen Jugendstilfassade durch Besetzung vor dem Abriss gerettet. Die ganze Geschichte erzählen wir hier...
Mafia - bei dem Wort denkt man an die üblichen Klischees aus Hollywood. Daran, dass die Mafia längst bei uns heimisch ist, wird man nur durch Paukenschläge erinnert, wie die Verhaftung des vermutlichen 'Ndrangheta-Oberpaten Francesco A. in Münster. Die Ermittlungen führten zu über 123 Beschuldigten, 41 Verhaftungen sowie der Enttarnung des Mafia-Geheimrates „Crimine di Germania“ in Münster.
Das mit Abstand abgefahrenste Thema des Science-Slam Münster hatte Historiker Sebastian Huncke auf Lager: Die Geschichte des Kokovorismus - oder wie Uropa die erste Hippie-WG erfand. Er untersuchte in seiner Examensarbeit die Kokosnuss-Religion des Aussteigers August Engelhardt von 1902 (!) - inkl. FKK und freier Liebe.
Madsen
Deutschrocker Sebastian Madsen nimmt seine Musik sehr ernst, sich selbst aber nicht so wichtig. Sagt er jedenfalls. Im aktuellen Opus „Hollywood“ seiner Band Madsen gibt sich der 42-jährige eher melancholisch, als rebellisch. Songs über Fremdenhass, Randale-Jungs und eine Hochzeit mit Ringen aus Marzipan: Das auf dem bandeigenen Label „Goodbye Logik“ erschienene Album wartet mit ausgefeilten Arrangements auf, ist mehr Indiepop als Rock und setzt auf stadionkompatible Mitsing-Refrains. In Hymnen wie „Ein bisschen Lärm“ packt der Sänger und Gitarrist aus dem Wendland viel Herzblut - emotional, empathisch und manchmal auch schön krachig. Wie in den seligen alten Zeiten, als Madsen noch als die rockigere Variante von Tomte gefeiert wurden...
Do. 21.3., Skaters Palace, 20.00 Uhr
Drogen, Kriminalität und Tod, das Aufwachsen in den Elendsquartieren von Buffalo, dann Knast, Koks und Knarren, halbseitige Gesichtslähmung nach einer Schießerei: Nein, Demond Price, genannt Conway the Machine, hatte es nicht leicht im Leben. Also rappt er düster und doomig über grimmige Boom-Bap-Beats und gibt schon mal vorsorglich Anordnungen, wie seine Beerdigung auszusehen habe: „God don’t make mistakes“. Seine Nahtoderfahrung verarbeitet er in diversen Tracks meist aus der Ich-Perspektive, außerdem finden persönliche Dramen wie der Tod seines Cousins Machine Gun Black ihren Platz. Kollabos mit Mobb Deep, Busta Rhymes, Royce da 5’9“ oder Raekwon folgen, sein neues Album „Won’t he do it“ bietet schnörkellos klassischen Hip Hop mit Beats u.a. von den Grammy-Preisträgern J.u.s.t.i.c.e. League.
Do. 28.3., Skaters Palace Café, 20.00 Uhr